Inhalt |  Detailgestaltung |  Baustelle |


 

Austausch und Neuausrichtung

Austausch mit Gerhard Roese

Anfang des Jahres schrieb ich an Herrn Gerhard Roese mit der Bitte um eine Rückmeldung zu meinem Projekt und bekam eine ausführliche Antwort mit vielen kritischen Anmerkungen und hilfreichen Hinweisen, für die ich mich ganz herzlich bedanken möchte.
Sie haben mich nicht nur im Sinne der Korrektur unscharfer Recherchen weiter gebracht, sondern auch grundlegend zu einem perspektivischen Wechsel meiner Projektziele geführt.


Detailgestaltung

Gerhard Roese schilderte in seiner Antwort auf meine Anfrage, den Stand der Entwicklung des Projektes zu beurteilen, seine Bedenken hinsichtlich der Gefahr von spekulativen Interpretationen:
In einem ersten Ansatz hätte auch er begonnen, das Modell der Klosteranlage mit vielen Details auszustatten: Bedachungsmaterial, Fachwerk/Mauerwerk, Fenster mit Butzenscheiben etc.
Jedoch habe er im Laufe seiner Projektumsetzung davon Abstand genommen und auf feine Detaillierungen verzichtet. Der Realität am nächsten komme zwar die Darstellung der Klosteranlage bis zu seiner Zerstörung als Konglomerat unterschiedlich alter Bauteile - zum Teil marode, zum Teil neu gebaut oder renoviert, aufgestockt oder erweitert.
Diese Anpassung sei sicherlich geschehen, um veränderten Lebensbedingungen, Erfordernissen und Ressourcen gerecht zu werden. Ein typisches Beispiel dafür seien die Fortifikationen der Anlage, welche erst lange nach Hildegard von Bingens Lebzeiten entstanden waren.
Historisch-wissenschaftlich sei dieser bauliche Wandel aber einfach nicht soweit abzusichern, dass man ihn im Detail darstellen könne sondern bewege sich im Bereich des Spekulativen.

*Befestigungen, Zinnen, Wehrtürme

Mich als Illustrator inspiriert aber gerade diese, von Gerhard Roese als „spekulativ“ bezeichnete Beschreibung eines uneinheitlichen, unfertigen Zustandes der Klosteranlage. Die Morbidität, der Zahn der Zeit, die vielen Versuche, dem Verfall entgegenzuwirken, haben mich geradezu beflügelt den Versuch zu unternehmen, dem Kloster im Wandel der Zeit ein Gesicht zu geben.
Ich sehe mich daher nicht gezwungen, mich in den engen Grenzen historisch belegter Rekonstruktion zu bewegen. Vielmehr begebe ich mich bewusst in das Feld des Vermuteten und stelle somit den „anschaulichen“ Aspekt in den Vordergrund.
Wie weit man bei solchen Vermutungen gehen darf, setzt, will man allzu spekulative Schlussfolgerungen verhindern, sicherlich enge Grenzen.
Die Beantwortung der Frage: „Wie könnte das Kloster ausgesehen haben“? ist damit eine sehr persönliche, spekulative Frage. Verbunden mit einer Recherche, was aus den Zeiten der Entstehung und des Bestehens an Bauformen und Materialien zur Verfügung stand und in einen logistischen Rahmen passt, könnte ich mich dabei in jenem informativen Rahmen bewegen, den die beiden bekannten mittelalterlichen Bauprojekte Guédelon und Campus Galli gesteckt haben.


nach oben

Die Baustellenillustration


Zitat Gerhard Roese:
"[...] Sicher gab es zu Hildgardis Zeiten bereits Hebezeuge, doch sicher sahen die nicht so "modern" aus wie auf Ihrer Darstellung. So drehen sich heute die Kräne auf modernen Großbaustellen - sicher sah das so zu Hildegardis Zeiten nicht aus. Das selbe gilt für die Rüstung der Kirchenmauern..." "Sie legen die Dielen des Ger"üstes quer, wie Eisenbahnschwellen [...], wahrscheinlicher scheinen mir lange Dielen parallel zur Mauer. [...] Damals waren Ressourcen knapp - Baudielen mussten von zwei Mann mit langen Sägen aus liegenden [...] Stämmen gesägt werden. Niemals wird (wie heute üblich) ein ganzer Baukörper eingerüstet worden sein.
Mittelalterliche Rüstung war eher so etwas wie ein Brett, das auf zwei Hölzern, die aus der Wand herausragten aufgelegt war um es den Maurern zu erlauben die Mauer höher auf zu setzen. Dieses "Regal" wanderte mit der Bauaufgabe und den Maurern weiter."

 Abb. 1 Vergleich Baugerüste


 Abb. 2 Mittelalterliche Bretterherstellung


 Abb. 3 Grubensäge


 Impressionen Baustelle Guedelon

Interessante Videos zu beiden Baustellen:

 Bauen wie im Mittelalter: Die ersten drei Jahre
 Leben wie im Mittelalter: Die Klosterstadt in Meßkirch

 Guédelon: Wir bauen uns eine Burg Doku (2014)

nach oben