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Wie Recherchen ein Bild verändern

3D-Rekonstruktion nach einer Buchillustration aus dem 17. Jahrhundert

Bei einer Recherche zu jüdischem Brauchtum im Alltag kam im Verlauf der Bildentwicklung ein Aspekt hinzu, durch den die Zuordnung einiger Gegenstände einer Revision unterzogen werden musste.
Eine Schale mit Wasser, ein Kessel, ein großes und ein kleines Handtuch (!) müssen im Zusammenhang mit dem Brauch von Menschen mit jüdischem Glauben, ihr Tagwerk mit einer rituellen Waschung der Hände und einem Gebet zu beginnen, betrachtet werden.
Dazu wird eine Schüssel benötigt, und, da wo kein fließendes Wasser vorhanden ist, eine Kanne mit Wasser, ebenfalls ein Handtuch und u.U. ein Gebetsumhang (Tallit). Ein für dieses Ritual nicht auf dem Bild des Judah Mehler dargestellter notwendiger doppelhenkliger Becher, mit dem - im Wechsel - die rechte und linke Hand übergossen wird, wurde zur Szene hinzugefügt.

 Netilat Yadayim


Netilat Jadajim (hebräischנְטִילַת יָדַיִםnəṭîlat jādajim), die rituelle Waschung der Hände, ist neben der Tevila, dem Eintauchen des gesamten Körpers in einer Mikwe, eine von zwei verschiedenen Formen der rituellen Waschung im Judentum.
Das hebräische Wort netila ist laut Israel Meir Lau abgeleitet von נטלא nṭlʾ, dem aramäischen Wort für „Gefäß.“ Doch werden auch andere Deutungen vorgeschlagen.
Die rituelle Handwaschung wird in der Tora erwähnt und in Mischna und Talmud genauer erläutert. Sie ist Thema des Mischnatraktats Jadajim. Heute wird sie von Anhängern des orthodoxen Judentums sowie manchmal auch im konservativen Judentum praktiziert. Im liberalen Judentum ist sie nicht mehr üblich.

Mehr Informationen auf Wikipedia (neues Fenster!)


 


Ein Rabbiner im 17. Jahrhundert

Auch wenn heute im liberalen Judentum die rituelle Handwaschung nicht mehr praktiziert wird, so war sie in Judah Mehlers Alltag im 17. Jahrhundert mit Sicherheit von Bedeutung, was er offensichtlich auf dem Bild festgehalten hat.
Im Zusammenhang mit den auf der Bild dargestellten Gegenständen ergibt sich daher eine andere Situation als eine Kochecke.
Auch wurde über eine weitere Recherche zu dem abgebildeten Samovar eine neue Interpretation für diesen "metallenen Behälter mit zwei Griffen und einem Hahn" gefunden. Demnach könnte es sich um einen "Kiddusch-Kelch" handeln, in dem koscherer Wein für zeremonielle Zwecke aufbewahrt wird.

Neben der Ergänzung von mehreren Bechern dazu wurde in dieser ersten Revision auch ein Cabinet hinzugefügt, in dem weitere rituelle Gegenstände Platz finden können, wie ein Siddur (Gebetbuch), Tefillin (Gebetsriemen mit Bayit und Paraschiot, einem Ledergehäuse mit Schriftrollen), Mezuzot (Kästchen mit Torah-Texten, die traditionell an den Türpfosten der Eingänge von jüdischen Häusern angebracht werden) und andere religiöse Utensilien, die zum Alltag eines Rabbis gehören. Dieses Cabinet ist nicht auf der Originalzeichnung enthalten...

Abb. 2 Netilat Yadayim


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Der Alchemist


Eine zweite neue Deutung des oben beschriebenen Regals ergab sich aus den weiterführenden Recherchen zum Thema "Alchemist". Die Bildersuche führte überraschenderweise zu einem Gemälde aus genau der Zeit des Judah Mehler, das ziemlich deutlich darauf hinzuweisen schien, dass es bezüglich der Deutung "Kiddusch-Kelch" eine weitaus treffendere Interpretation geben könnte:

Abb. 2 Der Alchemist
Der Alchemist, David Teniers der Jüngere, 1650  Wikipedia

 


Das Resultat

 

Die Beschäftigung mit diesem Gemälde im Zusammenhang mit der Zeichnung von Rabbi Judah Mehler und seinem Hintergrund als alchemistisch tätiger Forscher seiner Zeit, gab dem bisher als "Samovar", bzw. "Kiddusch-Kelch" angenommenen Gegenstand eine ganz andere Bedeutung.
Unübersehbar wird nun aus dem metallenen Topf mit den seitlichen Stutzen und dem Hahn ein Teil eines Destillierapparates, wie ihn offensichtlich Alchemisten in jener Zeit benutzt haben.
Auch die bisher angenommenen "Schöpfkellen", welche ein wenig aussehen wie "Flaschenkürbisse", mauserten sich, wenn auch zeichnerisch mehr schlecht als recht gelungen, so doch sinnvoll, zu Kolben! Auch der Brenner mit Kette hat in diesem Zusammenhang eine neue Deutung gefunden.

Um der Bedeutung Mehlers als Alchemist gerecht zu werden, wurden weitere für diese Praxis notwendige Instrumente ergänzt: ein Brennofen, Kannen, Kolbenhalter und Ständer wurden hinzugefügt. Judah Mehler wollte zum Ausdruck bringen, was sein Leben ausmacht. Er bleibt in seiner Buchillustration dabei eher vage und schemenhaft. Die Ergänzungen dienen in diesem Fall der Entwicklung einer realistischen Vorstellung seines Studierzimmers.

Judah Mehler wollte zum Ausdruck bringen, was sein Leben ausmacht. Er bleibt in seiner Buchillustration dabei eher vage und schemenhaft. Die Ergänzungen dienen in diesem Fall der Entwicklung einer realistischen Vorstellung seines Studierzimmers.

Abb. 2 Kolben und Brenner

 

 

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